Gender-Care-Gap: die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern
Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und vieles mehr – pro Tag wendet eine Frau in Österreich durchschnittlich 4 Stunden und 15 Minuten für unbezahlte Sorgearbeit auf. Das hat gravierende Auswirkungen auf das Leben, den Beruf und die Existenzsicherung von Frauen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Frauen tragen die größere Last bei der Sorgearbeit: Pro Tag wenden Frauen doppelt so viel Zeit für unbezahlte Care-Tätigkeiten auf wie Männer.
- Der Gender-Care-Gap beginnt bereits im Kindesalter und begleitet Frauen ihr ganzes Leben lang. Am höchsten ist er bei der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen.
- Die Folgen des Gender-Care-Gaps sind für Frauen vielschichtig: Mehrfachbelastungen und Stress, Karrierehindernisse, finanzielle Benachteiligungen, mangelnde ökonomische Sicherheit und potenzielle Altersarmut.
Was ist ein „Gender-Care-Gap“?
Der Gender-Care-Gap zeigt auf, wie sehr sich der zeitliche Aufwand für unbezahlte Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Die Bezeichnung stammt aus dem Englischen: „Gender“ heißt übersetzt „Geschlecht“ und „Care“ bedeutet „Fürsorge“. Es handelt sich somit um eine geschlechtsspezifische Fürsorgelücke.
Unbezahlte Care-Jobs beinhalten viele verschiedene Tätigkeiten, dazu zählen:
- Kinderbetreuung
- Pflege von Angehörigen
- Hausarbeit
- Ehrenamt
- weitere Tätigkeiten für die Familie
Wie diese Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern verteilt ist, wird durch den Gender-Care-Gap ausgedrückt. In Österreich beträgt der Gender-Care-Gap 43 Prozent. Frauen übernehmen also fast doppelt so viel Care-Arbeit wie Männer (Stand 2024).
Der Gender-Care-Gap ist kein österreichisches Phänomen, sondern weltweit festzustellen. Im EU-Vergleich wird deutlich, dass Frauen in ganz Europa durchschnittlich mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten als Männer. Österreich (43 Prozent) und Deutschland (44,3 Prozent) liegen hier im Mittelfeld. In Kroatien und Griechenland ist der durchschnittliche Gender-Care-Gap europaweit am höchsten: Frauen leisten hier durchschnittlich dreimal so viel unbezahlte Sorgearbeit. Schweden, Belgien und die Schweiz verzeichnen einen etwas niedrigeren Gender-Care-Gap als Österreich, wobei auch hier Frauen weit mehr Care-Tätigkeiten ausführen als Männer.
Ursachen für den Gender-Care-Gap
Dass immer noch hauptsächlich Frauen für Sorgearbeit verantwortlich sind, hat mehrere Ursachen:
- Traditionelle Geschlechterrollen: Frauen und Männern werden nach wie vor bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Durch diese Geschlechterrollen und Geschlechter-Stereotype wird der Gender-Care-Gap aufrechterhalten.
- Gehaltsunterschiede: Da Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, kann es für viele Familien ökonomisch sinnvoller sein, dass sich die Frau um die Sorgearbeit kümmert und der Mann im Erwerbsleben bleibt.
- Fehlende Infrastruktur: Ein Mangel an flächendeckenden Pflege- und Betreuungseinrichtungen und andere strukturelle Barrieren können dazu führen, dass Frauen eher einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, um dadurch zusätzlich die Sorgearbeit in der Familie übernehmen zu können.
Wie wird der Gender-Care-Gap berechnet?
Um die ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern zu berechnen, gibt es zwei verschiedene Varianten:
- Für die Berechnung des Overall-Gender-Care-Gap wird die durchschnittliche Dauer, die täglich für Care-Tätigkeiten aufgewendet wird, herangezogen. Datengrundlage ist die Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria, in der alle Menschen ab 10 Jahren einbezogen sind. Die Bemessung erfolgt anhand der Gesamtbevölkerung und beinhaltet damit auch die Zeitverwendung von Kindern und Jugendlichen sowie Gesellschaftsgruppen, die überhaupt keine unbezahlte Carearbeit leisten. Aus dieser Betrachtung ergibt sich der sogenannte Overall-Gender-Care-Gap. Diese Berechnung ist wichtig, da sie aufzeigt, dass mehr Männer als Frauen gar keine unbezahlte Care-Arbeit leisten. Dieser Overall-Gender-Care-Gap beträgt in Österreich 71 Prozent.
- Die zweite Variante vergleicht, wie groß der Zeitunterschied zwischen jenen Männern und Frauen ist, die täglich unbezahlte Sorgearbeit leisten. Dazu werden bei der Berechnung des Gender-Care-Gaps jene Personen, die keine Sorgearbeit leisten, herausgenommen. Der Gender-Care-Gap zeigt damit auf, wie viel mehr Zeit Frauen für Sorgearbeit aufwenden als Männer. Im Jahr 2024 sind das in Österreich 43 Prozent.
Sorgearbeit in allen Altersgruppen
Geschlechterrollen zeigen sich auch beim Gender-Care-Gap, der in Österreich bereits im Kindesalter verzeichnet wird und das ganze Leben über bestehen bleibt:
Bei den 10- bis 14-Jährigen beträgt er 31 Prozent. Bei den 15- bis 19-Jährigen erhöht sich die Fürsorgelücke schon auf 49 Prozent. Während Mädchen im Durchschnitt 72 Minuten für Care-Tätigkeiten aufwenden, sind es bei Buben dieser Altersgruppe 49 Minuten. Und auch bei den Care-Tätigkeiten gibt es in dieser Altersgruppe große Unterschiede: Mädchen übernehmen primär Arbeiten im Haushalt wie aufräumen, Wäsche waschen, einkaufen und abwaschen. Buben erledigen eher Gartenarbeiten, gehen mit dem Hund spazieren oder versorgen andere Haustiere.
In der Altersgruppe von 30 bis 34 Jahren erreicht der Gender-Care-Gap in Österreich seinen Höhepunkt: Frauen dieser Altersgruppe leisten 130 Prozent mehr an unbezahlter Care-Arbeit als Männer. Erklärbar ist diese starke Erhöhung mit der Familiengründung.
Bei den 40- bis 44-Jährigen reduziert sich der Gender-Care-Gap auf 56 Prozent, steigt dann aber rund um das Pensionsantrittsalter wieder an.
Eine ausgeglichene Verteilung von Care-Arbeit ist in Österreich somit in keiner Altersgruppe gegeben.
Konsequenzen des Gender-Care-Gaps
Jeden Tag leisten Frauen wesentlich mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. Das hat nicht nur weitreichende Konsequenzen für das Leben einer Frau, sondern auch gesamtgesellschaftliche Folgen:
- Wirtschaftliche Auswirkungen: Durch die ungleiche Übernahme von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern sind mehr Frauen teilzeitbeschäftigt als Männer. Das reduziert nicht nur die Karrierechancen langfristig, sondern auch das Lebenseinkommen der Frauen.
- Soziale Ungleichheit und Altersarmut: Teilzeitarbeit und ein geringeres monatliches Einkommen haben direkten Einfluss auf die Pensionsansprüche von Frauen und damit auch auf die finanzielle Sicherheit im Alter. Das Risiko der Altersarmut ist bei den Frauen deutlich höher als bei Männern.
- Mehrfachbelastung: Da Frauen meist die Hauptlast der unbezahlten Arbeit tragen, kann sich ein andauerndes höheres Stresslevel einstellen, das auch zu Erschöpfung und gesundheitlichen Problemen führen kann.
- Fehlende Vereinbarkeit: Familiäre Pflichten mit dem Beruf, insbesondere mit einer Vollzeitbeschäftigung, zu vereinbaren, ist eine der zentralen Herausforderungen für Frauen.
- Verstärkung von Geschlechterstereotypen: Der Gender-Care-Gap trägt zur Aufrechterhaltung traditioneller Geschlechterrollen bei. Das kann die Gleichstellung der Geschlechter behindern.
- Fehlende Wertschätzung von Sorgearbeit: Für eine Gesellschaft sind die Care-Tätigkeiten von ganz großer Bedeutung. Paradoxerweise ist Sorgearbeit jedoch unbezahlt und wird viel weniger wertgeschätzt als bezahlte Arbeit.
Maßnahmen zur Verbesserung
Der Gender-Care-Gap ist Teil einer tiefgehenden Ungleichbehandlung der Geschlechter. Die Ansätze zur Reduzierung der unausgewogenen Verteilung von Care-Arbeit setzt daher auf verschiedenen Ebenen an:
- Förderung der Geschlechtergleichstellung am Arbeitsmarkt: Die Reduktion des Gender-Pay-Gaps, mehr Einkommenstransparenz und viele weitere Maßnahmen sind richtungsweisend, um auch den Gender-Care-Gap zu reduzieren. Wichtig dafür sind klare Richtlinien oder Gesetze wie das Gleichbehandlungsgesetz.
- Familienfreundliche Arbeits- und Sozialpolitik: Flexible Arbeitsmodelle, bezahlter Elternurlaub, der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sowie flächendeckende Beratungsstellen für betreuende Angehörige helfen dabei, die Care-Tätigkeiten besser mit dem Beruf zu vereinbaren. Auch neue Modelle wie die Familienarbeitszeit können die Geschlechtergleichstellung vorantreiben.
- Förderung der Väterbeteiligung: Programme zur Förderung der Väterbeteiligung an der Sorgearbeit können dazu beitragen, traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen und eine gerechtere Aufteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
- Geschlechtssensible Berufsberatung: Um Frauen bei einer Berufswahl in Bereichen wie Wissenschaft, Technik und Handwerk zu unterstützen, braucht es Berufsorientierung und Bildungsberatung, die sich an den Bedürfnissen von Mädchen und Frauen orientieren.
- Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung: Durch Kampagnen und Bildungsmaßnahmen kann das Bewusstsein für den Gender-Care-Gap geschärft und Care-Arbeit neu bewertet werden.
Fazit
Je mehr Zeit Frauen für die Sorgearbeit aufwenden, desto weniger Zeit bleibt für die Erwerbsarbeit. Das wirkt sich unmittelbar auf das monatliche Einkommen aus, hat jedoch auch langfristige Folgen. Eine lange Teilzeitbeschäftigung kann die beruflichen Karrierechancen negativ beeinflussen. Auch bringt sie automatisch ein geringeres Lebenseinkommen. Das kann die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen trotz Erwerbstätigkeit gefährden.
FAQs
Was sind „Care-Jobs“?
Unbezahlte Care-Jobs sind Tätigkeiten rund um Familie und Haushalt. Dazu zählen Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Arbeiten im Haushalt, Unterstützung anderer Haushalte und ehrenamtliche Tätigkeiten.
Wie viel Prozent der Care-Arbeit machen Frauen?
In Österreich wenden Frauen im Durchschnitt jeden Tag 43 Prozent mehr Zeit für Care-Arbeit auf als Männer (Stand 2024). Das sind pro Tag 1 Stunde und 16 Minuten mehr.
Wie äußert sich der Gender-Gap?
Der Gender-Gap zeigt sich in vielen Bereichen. Dazu zählt die ungleiche Einkommensverteilung, die durch den Gender-Pay-Gap ausgedrückt wird. Neben der Vergütung gibt es am Arbeitsmarkt auch bei der Berufswahl und bei Führungspositionen einen Gender-Gap. Der Gender-Care-Gap macht darauf aufmerksam, dass Sorgearbeit und Hausarbeit zum Großteil von Frauen erledigt werden.
Diese Seite wurde aktualisiert am: 23. Oktober 2024