Frauen und Wissenschaft: wo es noch Aufholbedarf gibt

Die Gleichstellung von Mann und Frau in der Wissenschaft hat in Österreich in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, dennoch sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Wir haben uns genauer angesehen, warum der Frauenanteil in der Forschung so gering ist.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Frauen sind in der Wissenschaft unterrepräsentiert: In Österreich sind ca. 25 Prozent der Wissenschaftler_innen weiblich.
  • Der Weg einer wissenschaftlichen Karriere ist für Frauen voller Barrieren: Benachteiligungen im Bewerbungsprozess, geringeres Gehalt, weniger Fördergelder und weitere Faktoren erschweren Frauenkarrieren in der Forschung.
  • Gender Bias in der Wissenschaft: Auch wenn eine Bewerberin und ein Bewerber die gleichen Qualifikationen vorweisen, wird der männliche Bewerber tendenziell als geeigneter für die Position eingestuft.

Frauen in der Wissenschaft: Status Quo

Im Bereich Forschung & Entwicklung beträgt der Frauenanteil in Österreich 24,95 Prozent. Frauen sind also in der Wissenschaft noch immer deutlich unterrepräsentiert. Ein Blick in die Jahre zuvor zeigt jedoch, dass der Anteil von Wissenschaftlerinnen in Österreich stark gestiegen ist. Denn im Jahr 1998 betrug der Frauenanteil noch 14 Prozent. Obwohl aktuell nicht von einer Gleichstellung in der Wissenschaft gesprochen werden kann, hat sich der Frauenanteil in den letzten 26 Jahren dennoch stark erhöht.

Der Frauenanteil variiert je nach wissenschaftlicher Disziplin und Karrierestufe stark. Bei den Professor_innen, einer der höchstmöglichen akademischen Karrierestufen, hat die Universität Wien einen Frauenanteil von einem Drittel. 34 % der Professor_innenstellen werden von Frauen und 66 % von Männern besetzt. Werden diese Professor_innenstellen nach fachlicher Disziplin analysiert, zeigt sich ein differenziertes Bild: Vergleichsweise hoch ist der Frauenanteil im Bereich Sozialwissenschaften (66 %), Lehrer_innenbildung (58 %) sowie Philosophie und Bildungswissenschaften (56 %). Drei Fachbereiche mit sehr geringem Frauenanteil sind Physik mit 7 %, Geowissenschaften, Geografie und Astronomie mit 11 % sowie Mathematik mit 12 %.

Große geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es auch bei den unteren Hierarchieebenen der Universität Wien: 64 % der studentischen Mitarbeiter_innen sind weiblich, 36 % männlich. Stark vertreten sind hier Frauen in den Fachbereichen Translationswissenschaften (85 %), Wirtschaftswissenschaften (80 %) und Historische Kulturwissenschaften (75 %). Gar nicht vertreten sind studentische Mitarbeiterinnen in der Mathematik und Informatik, dahinter folgt die Fakultät für Chemie, in der 20 % der studentischen Mitarbeiter_innen Frauen sind.

Wieso weniger Frauen in der Wissenschaft arbeiten

Forschung und Wissenschaft war in Österreich lange Zeit nur den Männern vorbehalten, denn Frauen waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht zum Studium zugelassen. Geändert hat sich das erst 1897, als die philosophische Fakultät der Universität Wien erstmals auch Frauen zuließ, drei Jahre später folgte die medizinische Fakultät. Obwohl dieser generelle Ausschluss aus der Wissenschaft mittlerweile der Vergangenheit angehört, haben Frauen in der Forschung auch heute noch mit vielen Hürden zu kämpfen. Die Benachteiligungen sind am Beginn einer wissenschaftlichen Karriere für Frauen besonders groß. Welche genderspezifischen Benachteiligungen in der Forschung zur Unterrepräsentation von Frauen führen, haben wir für Sie zusammengefasst:

  • Geschlechterstereotype: Bei den wissenschaftlichen Fachbereichen halten sich in Österreich Stereotype sehr hartnäckig. Mathematik, Informatik und Technik sind Bereiche, die Männern zugeschrieben werden. Frauen wird in diesen Bereichen fälschlicherweise weniger Kompetenz zugetraut.
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Eine wissenschaftliche Karriere und Familie zu vereinbaren, ist für Frauen oft eine große Herausforderung, da ständige Verfügbarkeit, eventueller Wohnortwechsel und ein hoher Arbeitseinsatz verlangt werden. Studien zeigen, dass Familiengründung direkte Auswirkungen auf die wissenschaftliche Karriere von Frauen hat. 41 % der Mütter geben ihr Karriereziel der Professur aufgrund von Familienplanung auf.
  • Mangel an Vorbildern: Durch den geringeren Anteil an Frauen in höheren akademischen Positionen gibt es automatisch weniger weibliche Vorbilder und Mentorinnen, die junge Wissenschaftlerinnen unterstützen und inspirieren können.
  • Fehlende Sichtbarmachung: Die beruflichen Erfolge von Frauen werden weniger sichtbar gemacht als jene von Männern. Das kann sich auf ihre Chancen für Beförderungen und Forschungsmöglichkeiten auswirken.
  • Fehlender Zugang zu Netzwerken: Netzwerke spielen in der Wissenschaft eine wesentliche Rolle, um Zugang zu Informationen über akademische Stellen und vorherrschende Strukturen zu erhalten. Sie sind auch notwendig, um Förderbeziehungen aufbauen zu können. Die Arbeitskultur in der Wissenschaft ist jedoch oft von informellen, männlich dominierten Netzwerken geprägt, zu denen Frauen schwerer Zugang haben.
  • Benachteiligungen beim Recruiting: Neben den fachlichen Qualifikationen ist bei wissenschaftlichen Stellenausschreibungen auch die sogenannte Passfähigkeit ein Auswahlkriterium. Damit wird bei kommissionellen Bewerbungsverfahren festgelegt, inwiefern Bewerber_innen in den jeweiligen Fachbereich und zur Position passen.
  • Mangelnde Förderung und Unterstützung: Die wissenschaftliche Karriere von Männern wird eher unterstützt als jene von Frauen. Das zeigen Studien, die Empfehlungsschreiben für Post-Doc-Stellen analysieren. Für männliche Bewerber werden häufiger sehr positive Formulierungen verwendet, für Frauen hingegen sogar Formulierungen, die Qualität und Leistung ihrer Arbeit anzweifeln lassen.
  • Weniger Forschungsgelder und geringeres Gehalt: In vielen Fällen verdienen Frauen in der Wissenschaft für die gleiche Arbeit weniger als ihre männlichen Kollegen. Zusätzlich erhalten Frauen geringere Forschungsgelder.

Gender Bias in der Forschung

Der Begriff Gender Bias bezieht sich auf geschlechtsspezifische Benachteiligungen und Vorurteile. Das sind voreingenommene Denkmuster, die automatisiert ablaufen, um Frau, Mann oder eine Person mit einer anderen Geschlechtsidentität zu kategorisieren. 

Gender Bias zeigt sich beim Thema Frauen und Wissenschaft beispielsweise darin, dass sehr gute wissenschaftliche Arbeit mit hoher Intelligenz bzw. Genialität verbunden wird. Mit wissenschaftlichen Disziplinen wie Bildung, Psychologie und Soziologie, in denen der Frauenanteil sehr hoch ist,  wird laut Studien ein geringer Brillanz- bzw. Genieanteil verbunden. Im Gegensatz dazu wird Fachbereichen, in denen Frauen gering vertreten sind, wie Philosophie, Mathematik und Chemie ein sehr hoher Genieanteil zugesprochen. Genialität und Brillanz sind somit Zuschreibungen, die typischerweise Männern gegeben werden.

Gender Bias ist in der Wissenschaft auch im Bewerbungs- und Einstellungsprozess stark vertreten. Das zeigt eine Untersuchung, bei der identische Lebensläufe zweimal verschickt wurden: einmal mit einem weiblichen Namen und einmal mit einem männlichen. Diese Lebensläufe wurden von vielen verschiedenen Wissenschaftler_innen dahingehend bewertet, ob die jeweiligen Kandidat_innen für eine Postdoc-Stelle geeignet sind. Die bewertenden Wissenschaftler_innen, sowohl männlich als auch weiblich, stuften die Bewerberinnen seltener als qualifiziert ein als die Bewerber mit dem gleichen Lebenslauf.

Diese und weitere Arten von Gender Bias in der Wissenschaft haben Auswirkungen auf die Karriereverläufe von Frauen. Sie führen dazu, dass Wissenschaftlerinnen eher Positionen in den unteren und mittleren Ebenen einnehmen und seltener für hohe Positionen ausgewählt werden. Dadurch haben Frauen geringe Entscheidungsmöglichkeiten, erhalten weniger Fördermittel und können dadurch weniger publizieren. Publikationen sind jedoch ausschlaggebend für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere, denn sie führen zu hoher Anerkennung und Sichtbarkeit.

Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung

Die Chancengleichheit in der Wissenschaft wird in Österreich bereits durch viele Maßnahmen vorangetrieben, dazu zählen Mentoring-Programme für Wissenschaftlerinnen, Expertinnendatenbanken sowie Sensibilisierungskampagnen.

Um einen strukturellen und langfristigen Wandel im Bezug auf Frauen und Wissenschaft zu erzielen, sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig:

  • Gleichstellungsrichtlinien und -programme: Maßnahmen wie Quotenregelungen, Gleichstellungspläne und Bewusstseinsbildung sind wichtig, um die Gleichstellung in der Forschung voranzutreiben.
  • Förderung von Diversität und Inklusion: Eine vielfältige und inklusive Arbeitsumgebung ist eine wesentliche Basis, um Vorurteile abbauen zu können und ein wissenschaftliches Arbeitsumfeld zu schaffen, das keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht. 
  • Geschlechtersensibles Recruiting: Die Gleichstellung von Frau und Mann in der Wissenschaft muss bereits beim Personalwesen beginnen. Stellenanzeigen und der gesamte Rekrutierungsprozess werden so gestaltet, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen und gleiche Chancen haben.
  • Unterstützungssysteme für Wissenschaftlerinnen: Mentoring-Programme und Zugang zu Netzwerken sind essenziell, um Frauen in der Wissenschaft zu fördern und ihre Karrieremöglichkeiten zu verbessern.
Tipp

Das AMS unterstützt Frauen mit einem umfassenden Programm. Speziell auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten, zielt es darauf ab, die Karriere von Frauen in allen Lebenslagen zu verbessern und zu fördern.

Fazit

Frauen sind in einigen wissenschaftlichen Fachbereichen und auf höheren Hierarchieebenen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Das liegt an den vielen Benachteiligungen und Barrieren, mit denen Wissenschaftlerinnen konfrontiert sind und die ihre berufliche Entwicklung stark beeinflussen können.

Frauen in der Forschung zu fördern, macht es möglich, aktuell noch ungenutztes Forschungspotenzial auszuschöpfen. Mehr Diversität in der Forschung heißt auch, hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen die gleichen Chancen für eine erfolgreiche Karriere zu geben wie ihren männlichen Kollegen.

FAQs

Wie hoch ist der Frauenanteil in der Wissenschaft in Österreich?

In Österreich beträgt der Frauenanteil in der Forschung 25 %. Im Jahr 2021 gab es in Österreich 14.107 Wissenschaftlerinnen und 42.426 Wissenschaftler. Damit ist die Wissenschaft in Österreich männlich dominiert.

Was ist der Gender Citation Gap?

Der Gender Citation Gap zeigt auf, dass Forscherinnen weniger häufig zitiert werden als ihre männlichen Kollegen. Zitierungen sind jedoch ein ganz zentraler Faktor für den beruflichen Erfolg in der Wissenschaft. Werden Forscherinnen seltener zitiert, wirkt sich das negativ auf ihre Karriere aus.

Diese Seite wurde aktualisiert am: 19. September 2024