Boreout
Boreout – ein bis dato mit Sicherheit weniger geläufiger Begriff als sein „Gegenstück“ Burnout. Aber ist das Krankheitsbild deshalb seltener oder in geringerem Ausmaß eine Gefahr für die Gesellschaft? Wir erläutern die Unterschiede, gehen auf erste Warnsignale ein und erörtern mögliche Ursachen und konkrete Symptome des Syndroms. Ferner beschäftigen wir uns mit diversen Ausprägungen und unterschiedlichen Folgeerscheinungen. Außerdem liefern wir Tipps, wie Betroffene mit der Erkrankung umgehen beziehungsweise gegen diese ankämpfen können.
Boreout vs. Burnout – eine Definition
Während „Burnout“ den Zustand beruflich bedingter chronischer Überlastung bezeichnet und ein allseits geläufiger Begriff ist, kann dies von „Boreout“ wohl nicht behauptet werden. Dies wird auch durch die Tatsache unterstützt, dass Boreout noch nicht in das allgemein gängige Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen (ICD) aufgenommen wurde. Dennoch sind viele Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler, Psychologinnen bzw. Psychologen oder Ärztinnen bzw. Ärzte davon überzeugt, dass dies ein ernstzunehmendes Krankheitsbild darstellt und in der Gesellschaft teils weit verbreitet auftritt.
Boreout kann vom englischen Wort „Boredom“, welches übersetzt Langeweile bedeutet, abgeleitet werden, und bezeichnet einen Zustand chronischer Unterforderung am Arbeitsplatz und dessen gesundheitliche Folgen, die sich sowohl körperlich als auch geistig auswirken können.
Durch welche Symptome ist ein Boreout geprägt?
Auch wenn das Boreout-Syndrom demnach quasi das Gegenteil von Burnout ist, so sind die Folgen und Symptome doch ähnlich. Die nun angeführten körperlichen und psychischen Ausprägungen und Erscheinungsmerkmale können ein Hinweis auf das Krankheitsbild Boreout sein:
- Niedergeschlagenheit
- Antriebslosigkeit
- Erschöpfung
- Konzentrationsschwierigkeiten
- SchwindelDepressionen
- SelbstzweifelUnzufriedenheit
- Schlafstörungen
- Magen-Darm-Beschwerden
- Verspannungen
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
- Tinnitus
Doch wie bereits erwähnt – die hier gelisteten Symptome ähneln häufig denen eines Burnouts. Wie Sie erkennen, dass es sich tatsächlich um ein Boreout handelt, beziehungsweise welche ersten Anzeichen Warnsignale sein können, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.
Die Anzeichen eines Boreouts
Im Idealfall erkennen Betroffene bereits vor Auftritt tatsächlicher Symptome erste Anzeichen für eine derartige arbeitsbedingte Erkrankung und können dies, wenn nötig mit Fremdhilfe, bekämpfen. Wenn die folgenden Aussagen auf Sie zutreffen, sollten Sie achtsam Ihren weiteren Arbeitsalltag bestreiten, etwaige Veränderungen mit der Chefetage besprechen oder möglicherweise Ausschau nach einem neuen, attraktiveren Job halten:
- Wenn ich am Arbeitsplatz bin, ist mir regelmäßig langweilig.
- Bei meiner Tätigkeit fühle ich mich häufig unterfordert.
- Ich fühle mich in meinem Arbeitsumfeld nicht wohl.
- Ich fühle mich von meiner Chefin bzw. meinem Chef nicht wertgeschätzt.
- Ich kann mich nicht entscheiden, mit welcher Arbeit ich beginnen soll, da alle Tätigkeiten uninteressant sind und mir sinnlos erscheinen.
- Diejenigen Aufgaben, die ich erledigen soll, schaffe ich nicht oder nur unzufriedenstellend.
- In meiner Arbeit unterlaufen mir regelmäßig Fehler, obwohl ich ausreichend Zeit zur Verfügung habe.
- Meine Kontaktfreudigkeit in Bezug auf meine Kolleginnen bzw. Kollegen lässt deutlich nach.
Unterschiedliche Ausprägungen und Unterschiede zur Langeweile
Selbstverständlich ist nicht jede Person im gleichen Ausmaß von chronischer Unterforderung und den damit einhergehenden gesundheitlichen Folgeerscheinungen betroffen. Menschen, die „mit beiden Beinen“ im Leben stehen, ihre Freizeit erfüllend gestalten und ein ausgiebiges Sozialleben genießen, erleiden womöglich seltener oder später ein Boreout, auch wenn die Arbeitssituation wenig zufriedenstellend ist.
Demgegenüber sind Personen, die als eher introvertiert angesehen werden, negative Ereignisse gerne verdrängen oder wenig Initiative für Veränderungsprozesse zeigen, mitunter häufiger mit dem Syndrom Boreout konfrontiert. Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer in Großunternehmen mit möglicherweise unpersönlichen Umgangsformen oder jene, die sehr monotone Tätigkeiten ausüben, sind vermutlich ebenfalls einer größeren Gefahr ausgesetzt, an chronischer Unterforderung zu erkranken.
Nur wenige Personen sind bei der Ausübung ihres Berufs zu keiner Zeit gelangweilt. Ein gewisses Ausmaß an Langeweile sowie zeitweise das Gefühl von Unterforderung sind weit verbreitet, dies muss nicht gleich als Boreout bezeichnet werden. Besorgniserregend wird es erst, wenn Ihnen im Job die Anerkennung fehlt, Sie sich als jederzeit austauschbar betrachten, kein Erfolgsgefühl eintritt, kein Sinn in der Arbeit erkannt und Ihr Selbstwertgefühl angegriffen wird und damit zusammenhängend körperliche oder psychische Beschwerden auftreten.
Mögliche Ursachen eines Boreouts
Auch die Ursachen für das Entstehen dieser arbeitsbedingten Erkrankung sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Einige der Gründe für eine Unterforderung am Arbeitsplatz sind:
- Keine Auslastung am Arbeitsplatz
- Geringe Wertschätzung im Unternehmen
- Ausbleiben des Gefühls von Erfüllung und Glück während des Arbeitsprozesses
- Tätigkeiten die als minderwertig und sinnlos angesehen werden
- Monotone Arbeiten und fachliche Unterforderung
- Wenig Feedback seitens der Unternehmensführung
- Mobbing am Arbeitsplatz
Begleiterscheinungen, Auswirkungen und Strategien von Betroffenen
Leiden Personen unter chronischer Unterforderung und „ausgelangweilt sein“ am Arbeitsplatz, hat dies Folgen sowohl für die Betroffenen selbst, als auch für Kolleginnen bzw. Kollegen oder Vorgesetzte. Arbeiten werden unzufriedenstellend oder nicht ausreichend erledigt, das Unternehmensklima ist beeinträchtigt, direkte Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter sind mitunter verärgert.
Auch Angehörige können durch ein Ungleichgewicht in der Work-Life-Balance und einem dadurch entstehenden höheren Stresspegel und gesundheitlichen Auswirkungen mitbetroffen sein.
Die Erkrankten selbst leiden gehäuft unter psychischen Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Erschöpfungszuständen oder Depressionen. Doch nicht nur psychische Folgeerscheinungen, auch körperliche Konsequenzen, beispielsweise in Form von Schmerzzuständen, treten auf. So sind Kopf- und Nackenschmerzen, Verspannungen oder Magenbeschwerden keine Seltenheit.
In der Literatur (z.B. “Unterfordert: Diagnose Boreout - wenn Langeweile krank macht” von Philippe Rothlin und Peter Werder) sind Strategien beschrieben, die Personen mit Boreout-Symptomatik oftmals verfolgen.
So bemühen sich diese, den Zustand der Unterforderung im Job zu kaschieren, mitunter in dem die zu erledigenden Tätigkeiten bewusst in die Länge gezogen werden und ein hohes Ausmaß an Beschäftigung vorgetäuscht wird. Paradoxerweise zielen die Personen häufig darauf ab, trotz Unterforderung keine zusätzlichen Arbeiten oder Aufgabengebiete zu erhalten. Es wird im Internet gesurft oder die Zeit in sozialen Medien verbracht, um Geschäftigkeit zu simulieren. Gleichzeitig wird versucht, einer Kündigung zu entgehen, indem Vollauslastung vorgegeben wird. Auch wenn diese Strategien eine gewisse Zeit erfolgreich durchgeführt werden können, werden die Erkrankten früher oder später dabei ertappt oder sind auch von diesem Zeitvertreib gelangweilt.
7 Tipps – Was können Betroffene gegen ein Boreout tun?
Es ist nicht leicht, sich einzugestehen, am Syndrom Boreout erkrankt zu sein. Wie Sie erkennen können, ob Sie vom Zustand chronischer Unterforderung betroffen sind und wie Sie diesem entgehen können, erfahren Sie in diesem Teil des Beitrags.
- Selbsterkenntnis
Wie ein Sprichwort schon sagt: „Selbsterkenntnis ist der erste Weg zu Besserung.“ Dies gilt auch in Bezug auf die Boreout-Symptomatik. Personen, die befürchten, an chronischer Unterforderung und den daraus resultierenden psychischen oder physischen Folgen zu leiden, sollten möglichst sachlich und ehrlich den Ist-Zustand begutachten. Sie sollten dokumentieren, wie häufig und weshalb Sie im Job unter Langeweile leiden, welche Tätigkeiten oder Umstände dafür ausschlaggebend sind, ob das Gefühl von Auslastung und Zufriedenheit eintritt oder ob Sie dieses nur vortäuschen. Führen Sie am besten über einen gewissen Zeitraum wahrheitsgetreue Aufzeichnungen darüber und reflektieren Sie objektiv den Ist-Zustand.
Sobald Sie selbst die Diagnose Boreout gestellt haben oder befürchten, darunter zu leiden, können gezielt weitere Schritte unternommen werden.
- Gleichgewicht zwischen Sinn, Zeit und Geld
Bedeutend für Erfolg, Zufriedenheit und Auslastung im Beruf ist das Vorhandensein eines Gleichgewichts aus sinnvoller Tätigkeit, Aufgaben, die in zeitlicher Hinsicht gut bewältigbar sind, sowie ein akzeptabler Lohn beziehungsweise Gehalt. Nur Geld alleine macht nicht glücklich, ebenso wenig Unmengen an Freizeit oder Arbeiten, bei denen man abstumpft. Die Leistungsfähigkeit wird erhöht, sobald der zu erbringende Beitrag Anerkennung findet und wertgeschätzt wird – sowohl in monetärer als auch in funktionaler Hinsicht.
- Veränderung im Job
Eine Möglichkeit, an der Ist-Situation etwas zu verändern, ergibt sich eventuell bei einem Mitarbeitergespräch. Auch wenn es schwierig erscheint, hierfür die Initiative zu ergreifen, können Veränderungen im alltäglichen Berufsleben einen großen Beitrag zu einer Verbesserung des Zustands leisten. Und auch die Chefin bzw. der Chef hat Interesse an zufriedenen, ausgeglichenen, arbeitswilligen und fleißigen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern. Überlegen Sie gemeinsam, welche neuen Tätigkeiten in Angriff genommen werden können, ob eine Umstellung im Team ratsam wäre oder auf welchen anderen Wegen die Motivation gesteigert werden könnte.
- Berufliche Neuorientierung
Hat das Gespräch mit der Führungsebene nicht gefruchtet oder erkennen Sie nach wie vor keine Erfüllung durch die Veränderungen, gibt es immer noch die Möglichkeit, eine generelle berufliche Neuorientierung zu wagen. Werfen Sie einen Blick in die aktuellen Stellenanzeigen (zu finden beispielsweise mit der AMS-Stellensuche alle jobs oder im AMS eJob-Room) oder bewerben sich initiativ in einem Unternehmen Ihrer Wahl. Auch Weiterbildungen oder der Weg in die Selbstständigkeit können einen Aufschwung hervorrufen.
- Verbesserung der Work-Life-Balance
Wenn aus unterschiedlichen Gründen eine Veränderung im Job aktuell nicht möglich ist, versuchen Sie, sich auf privater Ebene zu verändern. Treiben Sie mehr Sport, gestalten Sie Ihr Sozialleben aktiver, oder suchen Sie nach intellektuellen Herausforderungen im Freizeitbereich. Anspruchsvolle Bücher oder tiefgehende Unterhaltungen mit Freunden tragen oftmals zur Verbesserung des Gemütszustands bei.
- Positiver Stress
Daran anknüpfend wollen wir insbesondere auf die Wichtigkeit von positivem Stress eingehen. Mentale Herausforderungen, die eine Person nicht überfordern oder im Vorhinein als nicht machbar erachtet werden, sind gesund und erhöhen die individuelle Leistungsfähigkeit. Vereinfacht gesprochen funktioniert dies folgendermaßen: durch Anreize und neue Aufgaben werden Atmung und Herzschlag schneller, der Körper schüttet Adrenalin und Noradrenalin aus, dem Gehirn wird mehr Sauerstoff zugeführt, der Körper produziert bestimmte Hormone und Glücksgefühle werden hervorgerufen. Ein bestimmtes Ausmaß an positivem Stress, dem so genannten Eustress, ist somit gut für Körper, Geist und Seele.
- Therapie und Beratung
Wenn Sie selbst an Grenzen stoßen, die alleine unüberwindbar erscheinen, suchen Sie sich Hilfe von Therapeutinnen bzw. Therapeuten oder bei Beratungsstellen. Sie können gemeinsam mit Expertinnen bzw. Experten Ihre Situation besprechen und nach Lösungswegen suchen.
Diese Seite wurde aktualisiert am: 06. September 2021